Lebensfreude trotz MS: Wie medizinisches Cannabis den Alltag von Betroffenen nachhaltig verändert

Erstellt am:13.6.2025- Zuletzt aktualisiert:24.7.2025

Seit vielen Jahren begleite ich Menschen mit Multipler Sklerose durch Phasen von Schmerz, Unsicherheit und Hoffnung. Immer häufiger rückt dabei die Cannabistherapie in den Mittelpunkt meines Praxisalltags. Die positiven Veränderungen, die ich sehe, sind beeindruckend: Patient:innen berichten von mehr Energie, weniger Schmerzen und einer neuen Lebensfreude.

Dr. Martin Pitzl, authentischer Arzt, in heller Praxis, spricht über Multiple Sklerose und Cannabistherapie

Diese ExpertInnen wurden für diesen Beitrag interviewed

  • Ärztliche Begleitung: Dr. Pitzl sieht beeindruckende Veränderungen - mehr Energie, weniger Schmerzen, neue Lebensfreude
  • Individuelle Einstellung: Engmaschige Kontrollen und ehrlicher Austausch für optimale Therapieanpassung
  • Vorurteile abbauen: Kontrollierte, ärztlich begleitete Therapie ohne "Rausch-Gefühl" - alltagstauglich
  • Bewegende Erfolge: Rollstuhl-Patientin findet durch medizinisches Cannabis wieder Freude am Malen und sozialen Aktivitäten
  • Milde Nebenwirkungen: Meist vorübergehende Effekte - offene Kommunikation zwischen Arzt und Patient wichtig
  • Gesellschaftlicher Wandel: Medizinisches Cannabis als normale Therapieoption für mehr Lebensqualität
  • Ganzheitlicher Ansatz: Fokus auf Wohlbefinden und individuelle Lösungswege gemeinsam mit Patienten

Mein Name ist Dr. Martin Pitzl. Ich praktiziere seit zwölf Jahren im Münchner Zentrum als Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie in einer interdisziplinären Schmerzpraxis. Wir haben eine spezielle Schmerztherapie. Dazu und haben auch viele Patienten, unter anderem auch viele chronische Schmerzpatienten. Doch das erste Mal davon gehört vor drei, vier Jahren, da waren die ersten Vertreter hier, die ihre Produkte vorgestellt haben. Und zugenommen hat das extrem.

So in den letzten zwei Jahren, würde ich sagen. Zwischendrin hatten wir noch Corona, aber es ist ein bisschen abgeflaut, da war das nicht so aktuell. Interessanterweise. Aber so in den letzten zwei Jahren haben wir doch einen deutlichen Anstieg sowohl von Anbieterseite als auch von Konsumenten Seite gezogen. Also wir haben viele chronische Schmerzpatienten hier in der Praxis, die wir versorgen und haben entdeckt, dass das medizinische Cannabis zum einen eine Reduzierung von sehr stark Medikamenten, also sprich auf Morphinbasis reduzieren kann.

Letztendlich sind auch einige Patienten, die diverse Medikamente Unverträglichkeiten haben, die das Cannabis eben auch gut ansprechen und so hat eine verbesserte Lebensqualität und reduzierte Schmerzwahrnehmung haben und somit ja auch wieder Schmerz einmal leben können. Das ist ähnlich, was weniger Nebenwirkungen hat und besser verträglich ist. Also durch Schmerzen wird man ja teilweise auch reaktiv depressiv. Also die sind besser gelaunt, die sind lebensbejahend wieder.

Und die Patienten haben wieder mehr Spaß am Leben durch diese Reduktion. Und wenn man wieder von den Medikamenten. Weggehen wollen, die eben starke Nebenwirkungen haben, wie zum Beispiel Verdauungsstörungen usw Übelkeit, das kann man mit dem Cannabis eben deutlich reduzieren in der Medizin, speziell jetzt. Wir bevorzugen, wo wir die Extrakt sind, besser dosierbar. Noch mal zurückzukommen auf die Frage wie profitieren die Patienten?

Also gerade ältere Patienten, die die Nebenwirkungen der anderen Medikamente reduzieren möchten, haben sehr positive, nach anfänglichen Ängsten Rückmeldung uns gegeben. Und zwar ist es ja oft so, dass eben gerade ältere, da habe ich vorhin schon erwähnt, eben Cannabis doch als Droge sehen und dann muss man denen erklären, was ich gerade auch schon erwähnt habe. Nein, es gibt ja diese zwei unterschiedlichen Wirkstoffe und wenn sie wirklich gar keine berauschende Wirkung haben möchten, dann empfehlen wir eben ein Extrakt, das eine höhere CBD und CBD Anteil hat.

Und dann werden sie merken, das wirkt entzündungshemmend, es wirkt abschwächelnd und sie werden auch nicht abhängig davon. Das ist immer die größte Angst. Das, was ich anfangs erwähnt habe, also der Markt ist riesig geworden. Jede Woche haben wir eine Vorstellung von verschiedenen Referenten. Ich rede davon, 2 bis 3 pro Woche von verschiedenen Firmen. Also der Markt ist sehr groß geworden und im Moment ist es so oder so wird es vielleicht auch die Zukunft dann bringen, dass wir nur noch vereinzelt wirklich Marken aufschreiben, sondern eher die Wirkstoffe.

Wie viel Prozent davon, wie viel Prozent CBD, wie viel Prozent THC und entsprechend dann das den Patienten mitgeben. Genau. Und je nachdem dann in der Apotheke die Abgabe erfolgt, von welchem Anbieter auch immer, also es ist nicht so, dass ich einen jungen sportlichen Patienten habe, der gerade eine Sportverletzung hat und den mit Cannabis versorge. Das sicher nicht. Nein, das sind chronische Schmerzpatienten, die haben eine lange Leidensgeschichte.

Die haben schon verschiedenste Medikamente vorher ausprobiert, verschiedenste Therapien ausprobiert. Das hat vieles nicht funktioniert. Und dann kommen wir mit dem Cannabis, diesem Vorschlag oder Therapieversuch. Und wenn das gut funktioniert, dann ist Patient und Behandler zufrieden.

Schritt für Schritt: Cannabis als individuelle Lösung

Die Einführung von Cannabis in die Behandlung erfolgt immer eng begleitet. Regelmäßige Kontrollen, individuelle Anpassungen und ein ehrlicher Austausch sind dabei essenziell. Es geht nie um das schnelle „Heilversprechen“, sondern darum, Lebensqualität Stück für Stück zurückzugeben – sei es durch bessere Beweglichkeit, erholsameren Schlaf oder weniger depressive Verstimmungen.

Vorurteile abbauen: Authentische Erfahrungen statt Klischees

Viele Patient:innen kommen mit Vorurteilen – geprägt von alten Bildern und Unsicherheiten. Doch die Realität sieht anders aus: Die meisten profitieren von einer kontrollierten, ärztlich begleiteten Therapie, ohne sich „berauscht“ zu fühlen. Gerade ältere Menschen sind oft überrascht, wie diskret und alltagstauglich die Behandlung ist.

Bewegende Einzelfälle: Kleine Fortschritte, große Wirkung

Besonders berührt hat mich eine Patientin, die nach Jahren im Rollstuhl dank Cannabistherapie wieder Freude am Malen und an sozialen Aktivitäten fand. Solche Geschichten zeigen: Es sind oft die kleinen Schritte – weniger Schmerzen, mehr Teilhabe, neue Hoffnung – die für Betroffene einen riesigen Unterschied machen.

Medizinische Begleitung: Sicherheit und Aufklärung an erster Stelle

Entscheidend ist eine enge ärztliche Begleitung. Regelmäßige Updates, Anpassung der Sorten und Dosierungen sowie offene Gespräche über Wirkungen und Nebenwirkungen sind Standard. Die meisten Nebenwirkungen sind mild und vorübergehend. Wichtig ist, dass Patient:innen jederzeit Fragen stellen können und sich nie allein fühlen.

Gesellschaftlicher Wandel: Cannabis als normale Therapie begreifen

Noch immer gibt es viele Vorbehalte gegenüber Cannabis in der Medizin. Doch mit jeder positiven Erfahrung wächst das Verständnis – und die Akzeptanz. Es ist an der Zeit, Cannabistherapie als eine von vielen Optionen zu sehen, die Menschen mit MS ein Stück Lebensqualität zurückgeben kann.

Fazit: Lebensqualität im Fokus

Für mich als Arzt steht im Mittelpunkt, gemeinsam mit meinen Patient:innen neue Wege zu finden. Die Cannabistherapie bietet eine echte Chance, Symptome zu lindern und das Leben wieder lebenswerter zu machen – immer individuell, immer mit Blick auf das Wohlbefinden.

Weitere Informationen und individuelle Beratung finden Sie auf unserer Landingpage Multiple Sklerose oder über das Kontaktformular.

Verwandte Themen für mehr Orientierung

Viele MS-Patient:innen interessieren sich auch für Themen wie Fibromyalgie, Depressionen oder Migräne. Ein Blick auf diese Seiten lohnt sich für weitere Einblicke.

Quellen & Disclaimer

  • Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V.
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Cannabis als Medizin
  • Eigene Praxiserfahrung Dr. Martin Pitzl

Hinweis: Die Informationen in diesem Bericht ersetzen keine ärztliche Beratung. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Ihre behandelnde Ärztin/Ihren behandelnden Arzt oder nutzen Sie unser Kontaktformular.     

Schritt für Schritt zur Cannabis­­therapie

Wir helfen Ihnen dabei die Therapie mit Medizinalcannabis so einfach wie möglich zu starten, um so schnell wie möglich die Symptome ihrer Multiplen Sklerose zu lindern. Gehen Sie wie folgt vor, um an Ihren individuellen Therapieplan zu kommen

Infos einholen

oder

Wir haben Ihnen einige qualifizierte Telemedizinplattformen ausgesucht, damit Sie die medizinische Cannabistherapie starten können. Sie können auch zu einem einem/einer Humanmediziner:in gehen, um sich beraten zu lassen. Mit dem Button gelangen Sie zur Ärzt;innensuche in Deutschland.

KBV Arztsuche

Gehen Sie auf die Seite eines ausgewählten Telemediziners

Dort einen Termin vereinbaren und aufklären lassen - ganz einfach.

Rezept für Medizinisches Cannabis einlösen

Rezept bei der Apotheke Ihrer Wahl einlösen und Medikament erhalten.

Therapie starten und beobachten

Der Telemediziner steht Ihnen stets zur Verfügung, sollten Sie Anpassungen vornehmen müssen.

Häufig gestellte Fragen

Mehrere Symptome der MS, wie Spastiken, chronischen Schmerzen, Schlafstörungen und Blasenstörungen können moderat bis deutlich durch eine Therapie mit medizinischem Cannabis verbessert werden.5,6 Die Wirkung ist individuell unterschiedlich, und die Therapie sollte stets mit dem/r behandelnden Ärzt:in abgestimmt werden.

5 Santarossa, Talia, Randy So, Penelope Smyth, Dr Stefan Gustavsen, Ross T Tsuyuki, Medical cannabis use in Canadians with multiple sclerosis Mult Scler Relat Disord. 2022 Mar;59:103638. doi: 10.1016/j.msard.2022.103638.

6 Filippini G, Minozzi S, Borrelli F, Cinquini M, Dwan K. Cannabis and cannabinoids for symptomatic treatment for people with multiple sclerosis. Cochrane Database Syst Rev. 2022 May 5;5(5):CD013444. doi: 10.1002/14651858.CD013444.pub2.

Studien zeigen, dass medizinisches Cannabis bei MS-bedingten Schmerzen effektiv ist. Die Behandlung schmerzhafter Spasti k bei Multipler Sklerose mit Cannabinoiden ist inzwischen etabliert, wenn sich die Optionen der Standardtherapie in als unwirksam oder unverträglich erwiesen haben.2

2 DGS-PraxisLeitlinie Cannabis in der Schmerzmedizin Version: 2.0 für Fachkreise, Erscheinungsjahr: 2024 Verantwortliche Leitlinienautoren: Dr. med. Johannes Horlemann und Norbert Schürmann, https://dgs-praxisleitlinien.de/wp-content/uploads/2024/08/PLL_Can_2024_v2_web.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.07.2025)

Bei MS-bedingten Muskelkrämpfen (Spastiken) entfaltet medizinisches Cannabis seine Wirkung über das körpereigene Endocannabinoid-System (ECS). Das ECS reguliert die physiologischen Prozesse im Körper und spielt eine Schlüsselrolle bei der Schmerzregulation, Neurogenese und der Immunantwort. Die aktiven Bestandteile von Cannabis wie Tetrahydrocannabiol (THC) und Cannabidiol (CBD), binden an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 im Körper.3,4 Diese Bindung kann die Muskelspannung reduzieren und so Krämpfe und Spastiken lindern.

3 Castorena CM, Caron A, Michael NJ, Ahmed NI, Arnold AG, Lee J, Lee C, Limboy C, Tinajero AS, Granier M, Wang S, Horton JD, Holland WL, Lee S, Liu C, Fujikawa T, Elmquist JK. CB1Rs in VMH neurons regulate glucose homeostasis but not body weight. Am J Physiol Endocrinol Metab. 2021 Jul 1;321(1):E146-E155. doi: 10.1152/ajpendo.00044.2021.

4 Di Marzo V, Piscitelli F. The Endocannabinoid System and its Modulation by Phytocannabinoids. Neurotherapeutics. 2015 Oct;12(4):692-8. doi: 10.1007/s13311-015-0374-6.

Bei der Therapie mit medizinischem Cannabis können Nebenwirkungen auftreten, die meist mild und vorübergehend sind. Typische Nebenwirkungen sind u. a. Müdigkeit, Schwindel, veränderter Appetit oder trockener Mund.7 Die meisten Nebenwirkungen treten zu Beginn der Therapie auf und lassen mit der Zeit nach. Durch eine ärztliche Begleitung und individuelle Dosierung können die Nebenwirkungen minimiert werden. Bei Unsicherheiten sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin.

7. Bar-Lev Schleider L, Mechoulam R, Sikorin I, Naftali T, Novack V. Adherence, Safety, and Effectiveness of Medical Cannabis and Epidemiological Characteristics of the Patient Population: A Prospective Study. Front Med (Lausanne). 2022 Feb 9;9:827849. doi: 10.3389/fmed.2022.827849.

Medizinisches Cannabis kann bei MS-bedingter Fatigue und Schlafstörungen unterstützend wirken, indem es das Energielevel erhöht und die Schlafqualität verbessert.6

6 Filippini G, Minozzi S, Borrelli F, Cinquini M, Dwan K. Cannabis and cannabinoids for symptomatic treatment for people with multiple sclerosis. Cochrane Database Syst Rev. 2022 May 5;5(5):CD013444. doi: 10.1002/14651858.CD013444.pub2.