Neue Perspektiven in der MS-Therapie: Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl über Medizinalcannabis aus neurologischer Sicht

Erstellt am:13.6.2025- Zuletzt aktualisiert:24.7.2025

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, die mit vielfältigen Symptomen wie Schmerzen, Spastik, Fatigue und Schlafstörungen einhergeht. Seit vielen Jahren begleite ich als Neurologin Menschen mit MS und erlebe täglich, wie groß die Herausforderungen im Alltag sein können. Die Therapie mit medizinischem Cannabis ist in den letzten Jahren zu einer wichtigen Option geworden – insbesondere, wenn klassische Behandlungen an ihre Grenzen stoßen.

Dr. Kirsten Müller-Vahl, Neurologin, Expertin für medizinisches Cannabis

Diese ExpertInnen wurden für diesen Beitrag interviewed

  • Neurologische Expertise: Dr. Müller-Vahl berichtet über Cannabis-Chancen aus wissenschaftlicher Sicht
  • Bewährte Wirksamkeit: Studien belegen Linderung von Spastik, neuropathischen Schmerzen und Fatigue
  • Individuelle Therapie: Engmaschige ärztliche Begleitung mit Tropfen, Kapseln oder Inhalation
  • Milde Nebenwirkungen: Meist vorübergehende Müdigkeit oder Schwindel zu Therapiebeginn
  • Realistische Erwartungen: Nicht alle MS-Betroffenen sprechen gleich gut an - individuelle Anpassung nötig
  • Gesellschaftlicher Wandel: Wachsende Akzeptanz erfordert weiter Aufklärung und offenen Austausch
  • Ergänzende Therapie: Medizinisches Cannabis als wertvolle Ergänzung zur MS-Standardbehandlung

Mein Name ist Prof. Dr. Kirsten Müller Vahl. Ich bin Fachärztin für Neurologie und Fachärztin für Psychiatrie. Ich arbeite seit vielen Jahren in der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie als Oberärztin an der Medizinischen Hochschule in Hannover. Klinisch interessiere ich mich seit ganz vielen Jahren für Tics, Störungen und für das Tourette Syndrom und biete für diese Erkrankung auch eine Ambulanz in unserer Poliklinik an.

Diese Erkrankung ist auch der Weg gewesen, wie ich überhaupt vor knapp 30 Jahren mittlerweile zum Thema Cannabismedizin gefunden habe, weil mir Patientinnen und Patienten immer wieder berichtet haben, dass wenn sie Cannabis mal nehmen, dass das ihre Krankheitssymptome, besonders ihre Tics bessert. Das hat mein Interesse und meine Aufmerksamkeit geweckt und hat dann letztlich den Weg dazu geführt, dass wir Studien durchgeführt haben, um Menschen mit Cannabis Medikamenten mit dieser Krankheit Tourette Syndrom zu behandeln.

Mich hat das Thema dann zunehmend fasziniert, so dass ich mich auch weiter da engagiert habe. Ich arbeite seit vielen Jahren in der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin und auch in der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin und bin dort aktuell auch jeweils erste Vorsitzende. Durch die Kenntnisse, die ich erworben habe, bin ich auch mehrfach als Sachverständige angefragt worden und habe zum Beispiel auch beratend im Bundes stag war ich tätig, zum Beispiel für das Cannabisgesetz 2017, aber jetzt auch in Zusammenhang mit der allgemeinen Legalisierung von Cannabis.

Ja, das muss man ein bisschen in den Kontext der Ausgangssituation setzen. Zum einen haben wir dadurch überhaupt erfahren, weil die Diagnose Tourette und Romantik Störung eine klinische Diagnose ist. Das heißt also, wir befragen die Patienten, untersuchen die Patienten und haben jetzt keine Biomarker, keine Zusatzuntersuchungen, die uns irgendwie helfen, diese Diagnose abzusichern. Und deswegen stellen wir sehr viele Fragen und eine der typischen Fragen an unsere Patientinnen und Patienten, wenn wir denn die Diagnose stellen wollen, ist, was es für Einflussfaktoren auf die Tics gibt.

Und da war damals auffällig, dass Patienten immer wieder berichtet haben, dass wenn sie Cannabis mal rauchen, dass das ihre Symptome verbessert. Zu der Zeit gab es damals Untersuchungen, ob vielleicht Nikotin in Form von Zigaretten und oder Kaugummis auch Symptome des Tourette und Rums verbessern könnte. Und deswegen haben wir das dann sozusagen vergleichend mal prospektif untersucht. Wir haben Patienten dann aktiv befragt Wenn du rauchst, wenn du Cannabis annimmst, wenn du Alkohol trinkst, wie beeinflusst das deine Krankheitssymptome?

Und haben dann erneut bestätigt gefunden, dass offenbar Cannabis eine Wirkung hat? Das war zurzeit noch extrem ungewöhnlich und unsere ersten Studien, die wir dann nachfolgend durchgeführt haben, waren mit dem THC Medikament Marinol, was wir damals noch aus den USA importieren mussten, um das dann in Kapselform hier den Patienten zu geben. Also das war tatsächlich Neuland zu der Zeit.

Ich habe das immer als herausfordernd und spannend erlebt und habe von Beginn an eigentlich gedacht, dass wir das als Medikament nutzen und untersuchen wollen, ob es sinnvoll eingesetzt werden kann und hatte eigentlich nie die Sorge, dass wir da eine Droge in der Hand haben, wo wir Patienten schädigen können. Wir haben intensiv allerdings auch zu Beginn genau diesen Aspekt mit untersucht und haben sehr sorgfältig und sehr intensiv nach neuropsychologischen Faktoren guckt und immer auch geprüft, ob die THC Behandlung dort negative Wirkung hatte, was wir aber nie feststellen konnten.

Das ist sehr unterschiedlich. Die Tourette Gruppe in Deutschland ist jetzt nicht so groß. Menschen sind mittlerweile zum Glück gut vernetzt. Es gibt zwei aktive Selbsthilfegruppen und so wurde relativ schnell bekannt, was wir da in Hannover tun und dass wir Cannabis Arzneimittel als mögliche neue Behandlungsoptionen testen. Und Patienten, die sich mit dieser Frage bei uns vorstellen, kommen aus ganz unterschiedlichen Hintergründen.

Also wir haben eine Gruppe von Menschen, die schon durch eine Selbsttherapie festgestellt hat, dass ihnen das hilft und sich dann konkret mit der Frage vorstellen kann Man aus dieser im Moment ja noch illegalen Selbsttherapie eine ärztlich begleitete, durch die Krankenkasse finanzierte legale Behandlung Machen also die das direkt als Vorstellungs grund haben. Wir haben dann aber auch Patienten, die sich mit wenig oder gar keinem Wissen über Cannabis Medikamente bei uns vorstellen und die ich dann berate, wenn sie andere Behandlung schon hatten, wenn die nicht ausreichend wirksam waren, was dann noch als Therapieoptionen bleibt.

Und da bin ich es dann zum Teil, die vorschlägt, eine Cannabis Therapie durchzuführen. Viele Patienten sind da relativ offen, weil Cannabis wird häufig auch als natürliches Arzneimittel angesehen. Das muss jetzt nicht immer besser sein, aber hat so eine gewisse positive Konnotation bei vielen Patienten, die manchmal auch eher ablehnend gegenüber chemischen Arzneimitteln sind. Das ist sachlich sicherlich nicht immer begründet und richtig, aber ich erlebe eigentlich mehr Offenheit als Skepsis.

Und es gibt da noch eine Personengruppe, die weder in die erste noch in die zweite Gruppe fällt. Die noch nie Cannabis genommen hat und davon gehört hat und die Auffassung vertritt was Illegales will ich nicht tun. Und wenn eine Therapie, dann immer nur mit ärztlicher Begleitung und die auch mit dieser konkreten Frage kommen, aber noch nie vorher Cannabis eingesetzt haben.

Ein ganz großes Dilemma aktuell ist, dass wir Cannabis Arzneimittel haben. Das Cannabis ja eigentlich auch überall auch illegal verfügbar ist. Dadurch haben wir eine große Erfahrungsmedizin, weil Menschen machen das einfach und erleben dann zum Teil, dass sie eine Verbesserung haben. War Die Studienlage ist in den meisten Indikationen leider relativ schlecht. Wir haben einige relativ gut untersuchte Indikationen. Dazu gehört Schmerz, chronischer neuropathischer Schmerz.

Dazu gehört Spastik. Bei MS war für die ganz große Mehrzahl der Indikationen, wo Menschen Cannabis als Mittel einnehmen, über positive Effekte berichten, fehlen uns die Studien, so dass wir hier sagen müssen wir haben keine ausreichende Evidenz, die tatsächlich beweist, dass Cannabis Arzneimittel hier wirksam sind. Das heißt, wir haben eigentlich eine Situation, die ganz umgekehrt ist zu dem, was wir typischerweise sonst in der Arzneimittelentwicklung haben.

Der typische Weg ist ja das Arzneimittel wird im Labor entwickelt, wird dann im Experiment getestet, dann an gesunden, dann zunehmend an Kranken. Und erst wenn alle diese Stadien durchlaufen sind, das Arzneimittel sicher und wirksam ist, steht es dann am Markt für die Verordnung zur Verfügung. Bei Cannabis ist es genau umgekehrt. Wir haben es einfach da. Viele Menschen nehmen es.

Aber weil diese Entwicklung eben nicht so stattgefunden hat, fehlen uns die Studien für Wirknachweise. Und wir laufen jetzt sozusagen mit der Forschungs so ein bisschen der Erfahrungsmedizin hinterher. Das ist eine Situation, die wir sonst noch nie so in der Weise hatten. Und weil es ja Hinweise gibt, dass Cannabis Arzneimittel in so vielen verschiedenen Indikationen wirksam sind, ist es nun wirklich eine Herkulesaufgabe.

Das heißt also, wir brauchen ganz viele Studien in ganz vielen Indikationen. Diese Studien müssen alle mit einem guten Design durchgeführt werden. Diese Studien brauchen große Fallzahlen, um dann tatsächlich beweisen zu können, dass Cannabis Arzneimittel wirksam sind. Ich glaube, auf die Sicherheit brauchen wir weniger Acht zu geben, weil da haben wir sehr, sehr viele Daten, die zeigen, dass Cannabis Arzneimittel ausreichend sicher sind.

Und was wir natürlich auch noch berücksichtigen müssen, ist die Frage, welche Cannabis Arzneimittel? Ist es eher THC? Ist es eher CBD? Ist es eher die Kombination von beidem? Also hier sind noch sehr, sehr viele Fragen offen und ich würde mir wünschen, dass wir möglichst zeitnah solche Studien durchführen. Das ist auch sicherlich der einzige Weg, wie wir Menschen, die aktuell skeptisch sind, überzeugen können.

Die sagen zu Recht Zeigt mir die Daten und ich glaube, nur den Daten. Und dann wird sich sicherlich auch herausstellen, auf die eine oder andere Indikation vielleicht tatsächlich nur ein Placebo Effekt war und hier keine Wirksamkeit nachgewiesen werden kann. Und das große Dilemma ist, dass solche Studien sehr teuer sind. Die muss irgendjemand finanzieren. Hier gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten Entweder die Pharmaunternehmen oder aber aus öffentlicher Hand.

Hier könnte man durchaus auch überlegen, ob man sich vielleicht mal zusammentut, gemeinsam einen großen Forschungs Fördertopf befüllt und dann kompetitiv an Forschende die Möglichkeit gibt, sich mit Anträgen hier zu bewerben. Aber die Datenlage muss sicherlich verbessert werden und hier hoffe ich sehr, dass wir dann dadurch weitere Erkenntnisse gewinnen werden. Im Moment haben wir ja eine gesetzliche Regelung, die einen sogenannten Genehmigungsvorbehalt vorsieht.

Das heißt also, abgesehen von der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung SHPV müssen wir Kostenübernahme Anträge stellen. In bestimmten Situationen werden die sehr schnell und sehr unkompliziert bewilligt. Aber in der Mehrzahl der Fälle ist das ein leider sehr mühsames Unterfangen. Und gerade bei psychischen Erkrankungen werden diese Kostenübernahme Anträge sehr häufig abgelehnt, was bei den Ärztinnen und Ärzten zum Teil auch glaube ich fast schon zu einer gewissen Resignation führt, wenn man in einer bestimmten Indikation, nehmen wir vielleicht mal ADHS fünf sechs Anträge stellt und selber fest davon überzeugt ist, dass das ein guter Therapie ansatz wäre.

Denke die Anträge sind gut begründet und trotzdem werden sie immer wieder abgelehnt. Dann ist man natürlich irgendwann frustriert und sagt Na ja, jetzt mache ich das nicht ein siebtes oder achtes Mal, sondern hört dann eigentlich auch wieder auf. Und hier würde ich mir wünschen und es gibt auch von vielen Verbänden entsprechende Forderungen, dass wir diesen Genehmigungsvorbehalt streichen. Im Moment ist der GBA ja auch vom Gesetzgeber aufgefordert, diesen Prozess noch mal neu zu denken und umzudefinieren.

Es gibt momentan ja Überlegungen, dass bestimmte Facharztgruppen möglicherweise auch mit bestimmten Zusatzqualifikationen hier ausgenommen werden. Ich fände eigentlich am besten, das haben wir auch in anderen Bereichen, wenn man bestimmten Qualifikations nachweis erbringen muss. Ideal wäre ein Qualifikationsnachweis, nicht wie aktuell überlegt, in Schlaf medizin oder Sozialmedizin, sondern tatsächlich in Cannabismedizin. Und wenn jemand wodurch auch immer, das kann man ja alles definieren dann nachweisen kann, dass er davon was versteht und auch verstanden hat, wann die Behandlung vielleicht sinnvoll ist und wann nicht.

Und dann kann man vielleicht sogar noch so einen gewissen Artkodex unterschreiben und sagen okay, ich verpflichte mich erst etablierte Therapien einzusetzen. Das ist ja alles möglich, das kann man ja alles tun. Aber dass man dann für eine Gruppe von hoch qualifizierten Ärztinnen und Ärzten, die verantwortungsbewusst mit dieser Therapie umgehen, diesen Genehmigungsvorbehalt streicht. Und ich glaube auch nicht, dass das unterm Strich zu einer Kostenexplosion führen wird.

Warum? Weil auf der einen Seite, wenn das nicht wirkt, dann setzen Patientinnen und Patienten die Medikation wieder ab. Niemand nimmt was, was ihm nicht hilft, niemand nimmt was, was mehr Nachteile als Vorteile bringt. Das ist bei Cannabis Medikamenten nicht anders als bei allen anderen Medikamenten auch. Und wenn es wirkt, dann können ja möglicherweise Kosten für andere Medikamente eingespart werden.

Und was man nicht vergessen darf bei diesen ganzen Rechnungen es gibt ja auch immer indirekte Folgekosten. Ich kenne Patienten, die sagen, ohne Cannabis Therapie wäre ich nicht arbeitsfähig. Das heißt also, hier sparen wir, wenn wir Menschen so gut helfen können mit Arzneimitteln und Cannabis Medikamenten, dass sie sogar berufstätig wir sind, sparen wir natürlich unendlich viel Kosten, die wir sonst hätten, wenn das nicht mehr der Fall wäre.

Ich habe eigentlich mehrere Wünsche. Ich hätte einmal den Wunsch, ganz konkret im Zusammenhang mit dem medizinischen Cannabis Gesetz, dass der Genehmigungsvorbehalt abgeschafft wird und dass qualifizierte Ärztinnen und Ärzte es leichter haben, Cannabis Arzneimittel einzusetzen. Ich habe dann den Wunsch, dass das Cannabisgesetz zum Konsum in Kraft tritt, weil das wird auch Auswirkungen auf die medizinische Versorgung haben. Und insbesondere wird es für Patienten, die aktuell keine Kostenübernahme durch ihre Krankenkasse haben, die Konsequenz haben, dass sie nicht mehr illegal Cannabis einnehmen müssen und von Strafverfolgung bedroht sind.

Und im Hinblick auf Forschung hätte ich die Hoffnung und den Wunsch, dass es eine Art Konsens gibt zwischen allen Beteiligten in diesem Bereich. Und da könnte zum Beispiel ein konkreter Vorschlag sein Alle Firmen, die im Bereich Cannabis Arzneimittel aktiv sind, tun sich zusammen und legen alle eine Summe fix in einen großen Topf. Und vielleicht könnte ja der Bund, Deutsche Forschungsgemeinschaft oder BMBF sagen okay, wenn ihr das tut, dann legen wir zu jedem Euro einen Euro drauf und dann würde man sehr schnell, glaube ich, sehr viel Geld zusammensammeln können.

Also wir sprechen hier von zweistelligen Millionenbeträgen, aber wenn man so viel Geld zusammen hat, dann kann man und die Summe sich durch so viele Leute oder Firmen teilt oder Gruppen. Dann kann man glaube ich auch einen Forschungsaufruf starten. Ganz themenspezifisch Klinische Studien im Bereich Cannabis Arzneimittel. Hier könnten sich dann Forschende bewerben und auf diesem Wege hätte man dann, glaube ich, die große Chance, trotz aller Probleme, die ja sonst immer mit der Finanzierung von Studien bestehen, hochqualifizierte Forscherinnen und Forscher in die Lage zu versetzen und designte klinische Studien durchzuführen, dass wir endlich mehr Daten haben.

Forschung und Praxis: Cannabis in der Behandlung von MS

Die wissenschaftliche Datenlage zu Cannabis bei MS hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Studien zeigen, dass insbesondere Symptome wie Spastik, neuropathische Schmerzen und Fatigue durch die Therapie mit medizinischem Cannabis gelindert werden können. Aus meiner klinischen Erfahrung berichten viele Patientinnen und Patienten von einer verbesserten Lebensqualität, mehr Beweglichkeit und besserem Schlaf.

Entscheidend ist die individuelle Dosierung und eine engmaschige ärztliche Begleitung. Die Therapie erfolgt meist mit Tropfen, Kapseln oder Inhalation. Die Nebenwirkungen sind in der Regel mild und vorübergehend, wie etwa Müdigkeit oder Schwindel zu Beginn der Behandlung.

Chancen und Grenzen der Cannabistherapie

Nicht alle MS-Betroffenen sprechen gleichermaßen gut auf Cannabis an. Während einige eine deutliche Reduktion von Schmerzen und Spastik erleben, profitieren andere vor allem von besserem Schlaf oder weniger Fatigue. Wichtig ist eine realistische Erwartungshaltung und die Bereitschaft, gemeinsam mit dem Behandlungsteam die optimale Einstellung zu finden.

Die gesellschaftliche Akzeptanz für medizinisches Cannabis wächst, dennoch bestehen weiterhin Vorurteile und Unsicherheiten. Aufklärung und der offene Austausch zwischen Patient:innen, Ärzt:innen und Apotheker:innen sind daher unerlässlich.

Fazit

Aus neurologischer Sicht ist medizinisches Cannabis eine wertvolle Ergänzung in der Therapie von Multiple Sklerose. Es kann helfen, Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Entscheidend ist die individuelle ärztliche Begleitung und eine offene, sachliche Aufklärung über Chancen und Grenzen der Behandlung.

Weitere Informationen und individuelle Beratung finden Sie auf der Landingpage Multiple Sklerose oder über das Kontaktformular.

Mehr zum Thema

Auch bei chronischen Schmerzen, Fibromyalgie, Depression, Palliative Medizin und Migräne kann eine Cannabistherapie neue Perspektiven eröffnen. Mehr dazu auf den jeweiligen Themenseiten.

Quellen & Disclaimer

  • Publikationen und Vorträge Dr. Kirsten Müller-Vahl
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Cannabis als Medizin

Hinweis: Die Informationen in diesem Bericht ersetzen keine ärztliche Beratung. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Ihre behandelnde Ärztin/Ihren behandelnden Arzt oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

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Häufig gestellte Fragen

Mehrere Symptome der MS, wie Spastiken, chronischen Schmerzen, Schlafstörungen und Blasenstörungen können moderat bis deutlich durch eine Therapie mit medizinischem Cannabis verbessert werden.5,6 Die Wirkung ist individuell unterschiedlich, und die Therapie sollte stets mit dem/r behandelnden Ärzt:in abgestimmt werden.

5 Santarossa, Talia, Randy So, Penelope Smyth, Dr Stefan Gustavsen, Ross T Tsuyuki, Medical cannabis use in Canadians with multiple sclerosis Mult Scler Relat Disord. 2022 Mar;59:103638. doi: 10.1016/j.msard.2022.103638.

6 Filippini G, Minozzi S, Borrelli F, Cinquini M, Dwan K. Cannabis and cannabinoids for symptomatic treatment for people with multiple sclerosis. Cochrane Database Syst Rev. 2022 May 5;5(5):CD013444. doi: 10.1002/14651858.CD013444.pub2.

Die Verschreibung erfolgt durch speziell qualifizierte Ärzt:innen. Nach einer ausführlichen Anamnese und Prüfung der bisherigen Therapien wird entschieden, ob eine Therapie mit Medizinalcannabis sinnvoll ist. Für die Verordnung muss ärztlich nachgewiesen werden, dass frühere Therapieformen keine ausreichende Wirksamkeit erzielten oder mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden waren. Daher ist eine gute Dokumentation Ihrer bisherigen Behandlungen wichtig. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist möglich, je nach Qualifikation des/der Ärzt:in sollte ein Antrag gestellt werden.8

8 https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1200/ (zuletzt aufgerufen am 11.07.2025)

Bei der MS-Behandlung kommen verschiedene Cannabis-basierte Medikamente zum Einsatz. Nabiximol ist in Form eines Mundsprays mit standardisiertem THC-CBD-Verhältnis speziell für MS-Spastiken zugelassen.9 Das synthetisch hergestellte Dronabinol ist als Öl oder in Form von Kapseln erhältlich. Medizinalcannabis-Blüten mit verschiedenen Wirkstoffprofilen können über eine Teezubereitung oder die Inhalation eingenommen werden. Bei Inhalation tritt die Wirkung meist innerhalb von Minuten ein, bei oraler Einnahme kann es ein bis zwei Stunden dauern.10 Ihr Arzt/Ihre Ärztin erstellt Ihnen einen individuellen Therapieplan, der genau auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt ist.

9 Fachinformation Sativex® https://www.fachinfo.de/fi/detail/013156/sativex-spray-27-mg-25-mg-zur-anwendung-in-der-mundhoehle (zuletzt aufgerufen am 11.07.2025)

10 Lucas CJ, Galettis P, Schneider J. The pharmacokinetics and the pharmacodynamics of cannabinoids. Br J Clin Pharmacol. 2018 Nov;84(11):2477-2482. doi: 10.1111/bcp.13710.

Studien zeigen, dass medizinisches Cannabis bei MS-bedingten Schmerzen effektiv ist. Die Behandlung schmerzhafter Spasti k bei Multipler Sklerose mit Cannabinoiden ist inzwischen etabliert, wenn sich die Optionen der Standardtherapie in als unwirksam oder unverträglich erwiesen haben.2

2 DGS-PraxisLeitlinie Cannabis in der Schmerzmedizin Version: 2.0 für Fachkreise, Erscheinungsjahr: 2024 Verantwortliche Leitlinienautoren: Dr. med. Johannes Horlemann und Norbert Schürmann, https://dgs-praxisleitlinien.de/wp-content/uploads/2024/08/PLL_Can_2024_v2_web.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.07.2025)

Bei der Therapie mit medizinischem Cannabis können Nebenwirkungen auftreten, die meist mild und vorübergehend sind. Typische Nebenwirkungen sind u. a. Müdigkeit, Schwindel, veränderter Appetit oder trockener Mund.7 Die meisten Nebenwirkungen treten zu Beginn der Therapie auf und lassen mit der Zeit nach. Durch eine ärztliche Begleitung und individuelle Dosierung können die Nebenwirkungen minimiert werden. Bei Unsicherheiten sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin.

7. Bar-Lev Schleider L, Mechoulam R, Sikorin I, Naftali T, Novack V. Adherence, Safety, and Effectiveness of Medical Cannabis and Epidemiological Characteristics of the Patient Population: A Prospective Study. Front Med (Lausanne). 2022 Feb 9;9:827849. doi: 10.3389/fmed.2022.827849.